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Montag, 27. April 2009

V wie Vendetta


Rache als zentrales Motiv erfreut sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts stetig wachsender Beliebtheit bei Filmemachern und Publikum. Gleiches wird mit Gleichem vergolten. Entweder dadurch begründet, dass dem Protagonisten unverzeihliches angetan wurde (Thriller – Ein unbarmherziger Film (1974), Der Graf von Monte Cristo (1975), Kill Bill Vol. 1+2 (2003/2004), Oldboy (2003)) oder aber einer ihm nahe stehenden Person (Die Jungfrauenquelle (1960), dessen Remake Last House on the Left (1972), Spiel mir das Lied vom Tod (1968), Irreversibel (2002), Sweeney Todd (2007)). Der auf dem gleichnamigen Alan Moore-Comic basierende V wie Vendetta (2006) – zugehörig zu erster Kategorie – greift dieses in beinahe allen denkbaren Variationen durchgespielte Motiv auf und verbindet es mit den dystopischen Welten von George Orwell (1984) und Ray Bradbury (Fahrenheit 451).

James McTeigues V wie Vendetta spielt im faschistischen Groß Britannien der Zukunft. Allgemeine Unsicherheit und ein totalitäres Regierungssystem verdammen die öffentliche Stimme zur Passivität. Als Anführer der Revolution setzt es sich der Maskierte V zum Ziel, die unterdrückte Öffentlichkeit zu befreien und den tyrannischen Großkanzler Adam Sutler zu stürzen. Erlebnisse aus Vs Vergangenheit machen aus dem Befreiungsschlag ein persönliches Rache-Szenario. Mittendrin Evey Hammond, die sich für eine Seite entscheiden muss.


Das in V wie Vendetta gezeichnete Gesellschaftsbild ist geprägt von Unterdrückung und umfassender Kontrolle seitens des Staates – personifiziert durch den Großkanzler Sutler. Wie in den großen literarischen Vorbildern (1984, Fahrenheit 451) bestimmt die Umkehrung der Machtverhältnisse das Geschehen. Aus dem herrschenden Volk werden beherrschte Untertanen. Dem Regisseur gelingt es, mit relativ einfachen Mitteln die Unterdrückung greifbar zu machen. Rigoros durchgesetzte, staatliche Restriktionen, denen Evey anfangs beinahe zum Opfer fällt, Vs anklagende Videobotschaft an die britische Bevölkerung und vor allem die Dialoge zwischen Großkanzler Sutler und seinen Beratern zeichnen ein deutliches Bild. Eine im Zusammenhang mit der Unterdrückung höchst eindrucksvolle Szene präsentiert sich dem Zuschauer, als sich alle aufgestaute Energie der Bevölkerung mit einem Paukenschlag freisetzt. Die von Großkanzler Sutler errichteten Mauern werden gesprengt, als sich Heerscharen mit Guy Fawkes-Masken durch Londons Straßen ergießen. Die Revolution hat begonnen. Sutlers Militär wird widerstandslos umspült wie Steine am Strand. Visuell ein dynamisches Highlight, katalysiert durch den maskierten Unbekannten.


V wie Vendetta gelingt es schnell die Sympathien für seinen Protagonisten zu wecken. Filme mit starkem Rache-Motiv haben meist auch die besten Voraussetzungen. Welchem Zuschauer fällt es sonderlich schwer, sich in eine gepeinigte Seele hineinzuversetzen, die nach Vergeltung sinnt? Dieser psychologische Vorteil greift hier jedoch zunächst nicht. Denn McTeigues Film enthüllt Vs Rachemotiv erst verhältnismäßig spät. Vielmehr gewinnt V bereits zu Beginn durch Eloquenz, Charme und konsequentes Auftreten die Gunst des Publikums. Sein Underdog-Charakter im Kampf gegen ein übermächtiges System sorgt für das Übrige. Um den gesichtslosen V als starke Identifikationsfigur zu etablieren, bedient sich der Film häufiger inhaltlicher Parallelen zwischen ihm und anderen positiv belegten Figuren. Dazu baut der Film beispielsweise etliche frappierende Gemeinsamkeiten zwischen V und Eveys Kollegen Gordon auf, der auf eigene Art gegen das Regime des Großkanzlers kämpft. Beide Charaktere verschmelzen. V verliert auf diese Weise etwas von seiner unfassbaren Aura. Er wird als Mensch greifbarer. Seine Sehnsucht nach Rache eindringlicher. Ein intelligenter Zug, bei dem man sich als Zuschauer die Frage stellt, ob der Film auch ohne dieses Stilmittel funktioniert hätte? Höchst wahrscheinlich. Denn Hugo Weaving besitzt selbst unter seiner Guy Fawkes-Maske mehr Ausdrucksvermögen als viele seiner heutigen Kollegen ohne Gesichtsverdeckung. Weaving beziehungsweise die Rolle des Rächers verdeutlicht, wie viel Effekt durch bedacht eingesetztes Gestenspiel erreicht werden kann.

McTeigues V wie Vendetta versteht sich als Unterhaltungsfilm mit dem Anspruch seine Zuschauer zum Mitdenken zu animieren. Keinesfalls sollte die Comicverfilmung als Actionvehikel gesehen werden. Unter diesem Aspekt betrachtet, dürfte vielen Zuschauern eine Enttäuschung bevorstehen. Im Vordergrund steht die Charakterentwicklung der Protagonisten V und Evey. Action mit einem zuverlässigen Gespür für Timing und den richtigen Blickwinkel wird an bestimmten Stellen eingestreut. Merkwürdigerweise erinnern viele der Einstellung und ebenso viele einzelne Bewegungen Vs an die Comicverfilmung Blade (1998) des britischen Regiekollegen Stephen Norrington. Dies sei nur als Randnotiz festgehalten. Was V wie Vendetta wesentlich stärker kennzeichnet, ist seine wertneutrale Auseinandersetzung mit dem Motiv der Blutrache – der Vendetta. So stellt Evey V die Frage nach der Moral seiner Bestrebungen. Jener betrachtet seinen Feldzug als bis zur letzten –tödlichen – Konsequenz gerechtfertigt. Der Zuschauer hingegen muss entscheiden, ob er dieser Meinung folgen kann. Vorgefertigte Antworten liefert der Film nicht. Die Ambivalenz in Vs Charakter tritt hier deutlich hervor. Die Wahl seiner Mittel erinnert stark an seinen Antagonisten Sutler. V bedient sich medialer Propaganda, verübt Anschläge. Er unterzieht Evey mentaler und physischer Folter, um sie zu einem angstfreien Leben umzuerziehen. Alles strikt nach Methodik des Gegners. Doch wo muss man Grenzen ziehen? Kann man Gutes erreichen, indem man die Mittel des Gegners anwendet? Fragen, die ohne Zweifel diskussionswürdig sind.


Nachdem die Wachowski-Brüder ihren Stern mit Hilfe der Matrix-Trilogie (1999 & 2003) sowohl zum Erstrahlen als auch zum anschließenden Erlöschen gebracht hatten, gelang ihnen als Autoren von V wie Vendetta ein großer, überraschender Wurf. Weg von verquasteten, pseudophilosophischen Effektgewittern, hin zu ungewöhnlichen, ambivalenten Charakteren, wohldosierter Action und einer fesselnden Story. Ein Film für Zuschauer, die eine gelungene Verquickung aus Unterhaltung und Tiefgang zu schätzen wissen.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

L.A. Confidential


Schattenseiten.

Klatsch und Tratsch gleicht einem Volkssport. Die Menschen absorbieren Gerüchte und verbreiten sie weiter. Sie lieben ihren dreckig-anrüchigen Mief - so lange dieser nicht von der eigenen schmutzigen Wäsche herrührt. Je abgründiger, desto besser. Homosexualität, Kommunismus, Drogenmissbrauch und Gewaltverbrechen sind der Stoff, aus dem im Hollywood Mitte des 20. Jahrhunderts tiefschwarze Klatsch-Alpträume für so manche prominente Persönlichkeit gewoben worden sind. Die einen verpuffen noch ehe ihr Klang verhallt ist, andere hingegen haften hartnäckig. Alles streng vertraulich und „Hush-Hush“. Selbstverständlich! L.A. Confidential (1997), basierend auf dem gleichnamigen Mammutwerk des wortgewaltigen Kriminalautors James Ellroy, präsentiert solch ein düsteres Alptraumnetz aus Verbrechen und Klatsch - die Film bzw. im eigentlichen Sinne Buch gewordene Antithese zur vordergründigen Glamourwelt der Traumfabrik Hollywood.

Wem James Ellroys Roman ein Begriff ist, der weiß, um welch komplexe - für eine Adaption denkbar ungeeignet vielschichtige - Vorlage es sich bei „L.A. Confidential“ handelt. In diesem Kontext ist Brian Helgelands Verdienst am Script umso höher einzustufen. Er präsentiert ein Paradebeispiel dafür, wie man aus einer diffizilen Vorlage mit scheinbar chirurgischer Akribie ein kleines Juwel zu Tage fördert. Sicher, Details gehen hier und da verloren und auch der eine oder andere Subplot muss auf der Strecke bleiben. Im Großen und Ganzen ist dies jedoch mehr als gut zu verschmerzen. Es zählt die ausgewogene Balance, welche Helgeland besonders im Hinblick auf den nötigen Entfaltungsraum der drei Protagonisten Edmund Exley, Jack Vincennes und Wendell ’Bud’ White herauskristallisiert hat.

Ein Restaurant-Massaker wird für diese drei grundverschiedenen Charaktere zur Feuerprobe. Jeder mit eigenen Lastern und Schwächen, die er zu schultern hat, gerät auf individuelle Weise in den gleichen Strudel aus Korruption, Mord und Erpressung. Scheinbar zufällige Ereignisse gewinnen in einem übergeordneten Kontext an Bedeutung, geschickt werden Querverbindungen aufgebaut, welche sich schlussendlich zu einem perfekt verwobenen Verbrechensmosaik zusammenfügen. Aus dieser nonchalanten Beiläufigkeit L.A. Confidential zu erzählen, gewinnt der Film seinen ungeheuer starken Reiz und eine nicht zu unterschätzende Bodenständigkeit. Nichts an der Story wirkt erzwungen oder überkonstruiert, nur damit am Ende eine imaginäre Rechnung aufgehen kann. Stattdessen hat der Zuschauer das angenehme Gefühl einer natürlichen Entwicklung, die gar keine anderen Wege hätte einschlagen können, beizuwohnen.

L.A. Confidential ist nicht nur eine Huldigung, eine perfekt inszenierte Reminiszenz in Spielfilmlänge – „L.A. Confidential“ ist reiner Film Noir. Die Handlung, ihre Charaktere, ebenso das gesamte Setting atmen im Sekundentakt den schmutzigen Staub der großen Brüder aus den frühen Tagen Hollywoods – nur vielleicht noch ein Stück weit düsterer, noch dichter und undurchschaubarer gestrickt. Zweifelsohne war in einigen frühen Vertretern der Schwarzen Serie eine klare Rollenverteilung bis zu einem gewissen Grad auch nicht stets gegeben (On Dangerous Ground (1952), Asphalt Jungle (1950)), aber so weit ins Herz der Finsternis wie Regisseur Curtis Hanson dürfte sich bisher kaum jemand gewagt haben, was zumindest unter den damaligen Umständen, bedenkt man u. a. die Reglementierungen des Production Codes, auch nicht weiter verwundert. Sicherlich ließ man zu damaligen Zeiten bevorzugt klar definierte Fronten aufeinanderprallen (Crossfire (1947), The Racket (1951), The Narrow Margin (1952) oder Crime Wave (1954)), um der Gerechtigkeit am Ende mit Hilfe eines strahlenden Helden zu ihrem Recht zu verhelfen.

Dass dies bei L.A. Confidential (und sicherlich anderen Vertretern in abgeschwächterem Maße) nicht der Fall ist, verleiht dem Film und insbesondere seinen Charakteren ihre besondere Anziehungskraft und Vitalität. Der Reiz des Verbotenen schenkt der Geschichte, explizit in Bezug auf den unberechenbaren ’Bud’ White, die emotional stärksten Szenen, welche sich hier evident aus seinen Schwächen entwickeln. Seine Überfürsorge für misshandelte Frauen in Verbindung mit dem exzessiven Hang zur Gewalt versetzen den Zuschauer bereits zu Beginn des Films in starke emotionale Anspannung, die durch geschickt gesetzte Stützpunkte (u.a. die „Bloody Christmas-Schlägerei, Whites wiederholte Konfrontationen mit dem verhassten Ed Exley oder sein Alleingang bei der Befreiung des mexikanischen Mädchens) über die gesamte Spielzeit aufrecht erhalten werden kann. White gelingt es auf süffisante Art, den Zuschauer als Komplizen zu gewinnen und erschreckend leicht für sich zu vereinnahmen. Obwohl er zumindest in der ersten Hälfte nichts weiter als ein Hooligan mit Dienstmarke zu sein scheint, wirken er und seine Taten anziehend. Taten, die objektiv jenseits des Guten liegen, subjektiv aber gefährlich starke Genugtuung bereiten. Aus rein persönlicher Sicht lässt sich deshalb konstatieren, dass ’Bud’ wohl der interessanteste Charakter des Dreiergespanns ist - sowohl in der grandiosen Romanvorlage als auch in Hansons/Helgelands kongenialer Adaption. Dafür prädestinieren ihn sowohl eine kompromisslose Geradeheraus-Attitüde als auch die äußerst subtil eingewobene Charakterentwicklung, die den Bogen vom tumben, aber doch naiv-gutherzigen Prügelknaben zum selbstständig ermittelnden Cop schlägt. (Vielleicht eine direkte Symbiose aus Sterling Haydens Filmcharakteren Dix Handley (Asphalt Jungle) und Det. Lt. Sims (Crime Wave)?! Jedenfalls bestehen vom Typus her zwischen Hayden und Crowe nicht von der Hand zu weisende Parallelen.)

Brian Helgeland ist es hoch anzurechnen, dass er die psychologischen Charakterisierungen und die Vielschichtigkeit der Figuren vorlagengetreu übernommen und filmgerecht verarbeitet hat. Nicht nur White, sondern ebenso die Kollegen Ed Exley und Jack Vincennes bieten im Film genügend Material für eine differenzierte Betrachtung. Der Zuschauer kommt in den Genuss die Charaktere mit verstreichender Zeit besser kennen und verstehen zu lernen. Verhaltensmotivationen werden nicht plump in den Raum geworfen, sie werden beiläufig dargeboten, was seinen Anteil zu der bereits zuvor geschilderten, natürlich erscheinenden Entwicklung des Stoffes beiträgt.

Neben der inhaltlichen Ebene ist ebenso das Formale über jeden Zweifel erhaben. Ein Umstand, der den Freund des klassischen Noir-Kinos beim Anblick von Setting und Requisiten das Herz schneller schlagen lässt. Würde man dem Bild seine Farben entziehen, ließe sich keinerlei Unterschied zwischen den klassischen Noir-Vertretern und diesem Neo-Noir ausmachen. Einen großen Anteil an der superben Visualisierung hat ohne Zweifel Kameramann Dante Spinotti, welcher L.A. Confidential mit Hilfe unterschiedlichster Stilmittel zur optischen Perfektion verhilft. Die technische Ebene wird zum Spiegel des Narrativen, was eine unheimlich effektvolle Direktheit, deren Wirkung in jeder Sekunde bis zum Maximum ausgekostet wird, aufbaut.

L.A. Confidential verdient ohne Zweifel seinen Ruf als beste Ellroy-Umsetzung und sticht damit andere Adaptionsversuche wie den inakzeptablen Cop (1988), basierend auf Ellroys erstem Teil der wuchtigen Lloyd-Hopkins-Trilogie, genauso wie Brian De Palmas mittelmäßigen Black Dahlia (2006) problemlos aus. Die inhaltliche Dichte wird ohne große Probleme filmgerecht komprimiert. Der kantige Stil und die Rauheit der Vorlage finden sich kompromisslos umgesetzt. Abgerundet wird das Gesamtpaket schließlich noch durch einen hervorragenden Cast, welcher u. a. mit Höchstleistungen von Russel Crowe, Kevin Spacey und Kim Basinger aufwarten kann (10/10 Punkten).


Montag, 12. Mai 2008

Sie küßten und sie schlugen ihn


Die zartbitteren Kindheitserinnerungen des Francois Truffaut.

Francois Truffauts Spielfilmdebüt lässt sich am treffendsten mit dem Schmetterlingseffekt vergleichen, welcher einer kleinen Anomalie die Fähigkeit einräumt, unabsehbare Konsequenzen für die Zukunft nach sich zu ziehen. Diese kleine Anomalie im französischen Kino Ende der 50er Jahre nennt sich „Sie küßten und sie schlugen ihn“ (1959). Eine Auflehnung gegen den konventionellen französischen Film, mit welchem der damals 27-Jährige bereits in seiner Tätigkeit als Filmkritiker scharf ins Gericht gegangen ist. Der Gestus des Aufbegehrens bleibt jedoch nicht allein prägend für dieses Erstlingswerk. „Sie küßten und sie schlugen ihn“ liest sich ebenso als Dokument der Liebe – Truffauts Liebe zum Kino, so wie er es sich erträumt und für die Zukunft erhofft. Keine unbegründete Hoffnung, wie die Folgen des „Flügelschlags“ zeigen sollen…

„Sie küßten und sie schlugen ihn“ bekleidet in Truffauts Gesamtwerk eine ganz besondere Position. Er markiert einen Anfang in dreierlei Hinsicht – den Anfang einer erstaunlichen Karriere, die Initialzündung der Nouvelle Vague sowie den Beginn des Antoine-Doinel-Zykluses. Jener ist Truffauts filmisches Alter Ego, dessen Lebens- und Leidensweg ihn Zeit seiner Karriere beschäftigen sollte („Liebe mit Zwanzig“ (1962), „Geraubte Küsse“ (1968), „Tisch und Bett“ (1970) und „Liebe auf der Flucht“ (1979). Anhand dieses Ersatz-Ichs betrieb Truffaut über die Spanne von 20 Jahren eine Art kreative Selbsttherapie – getarnt unter dem Mantel des Geschichtenerzählens.

Trotz der von Truffaut bestrittenen autobiographischen Inhalte lässt sich dieser essentielle Aspekt des Werks nur schwerlich wegdiskutieren. Im Charakter des Protagonisten Doinel sind unzählige Erlebnisse, Gefühle und Verhaltensmuster des Regisseurs angelegt. Truffaut zeichnet ein fein durchstrukturiertes Psychogramm auf der reichhaltigen Basis eigener Lebenserfahrung. Verlorenheit und Haltlosigkeit in einer seltsam befremdlichen Welt spielen dabei eine genauso zentrale Rolle wie das Motiv des Durchkämpfens. Doinel, nach gängigem Sprachgebrauch ein Problemkind, lügt, klaut und lehnt jegliche Form der Autorität (egal ob Lehrer, Eltern oder das Erziehungsheim) ab. Nichtsdestotrotz findet sich in ihm (abgesehen vom Schulkameraden René, welcher dem Jugendfreund Robert Lachenay nachempfunden ist) der alleinige Sympathieträger des Films. Dieses starke Mitgefühl bezieht Doinel maßgeblich aus seiner vor dem Leben versteckten Seite - einer empfindsamen und aufgeweckten Facette, die ihn mit dem Rücken zur kalten Wand zeigt. Ein Blickwinkel, der allein dem Publikum vorbehalten bleibt und die Geschichte nuanciert.

Obwohl der Regisseur sein Alter Ego erkennbar als Opfer der Umstände (insbesondere des kühlen Elternhauses) zeichnet, fehlt ein wirklich anklagender Ton, um den Film als frontalen Angriff auf Mutter und Vater Truffaut zu werten. Es ist vielmehr die ausgesprochen reife Auseinandersetzung mit seinem Sujet, die das Werk maßgeblich prägt. Den Zuschauer beschleicht nicht das Gefühl einem bockigen Kind bei der Vergeltung seiner Jugendjahre beizuwohnen. Stattdessen erweckt der Film den Eindruck einer Rechtfertigung Truffauts, mit der er Zeugnis davon ablegen will, warum er ist, wie er ist. Warum er agiert, wie er agiert. Diese Gedanken korrelieren mit dem Gefühl, nicht aus der eigenen Haut hinaus zu können. Eine Haut, die man nicht will oder gar akzeptieren kann, obwohl sie bedauerlicherweise wie ein Maßanzug zu sitzen scheint. Verständlicherweise sind dies relativierende Einschätzungen, welche Truffauts Eltern zur damaligen Zeit nicht teilen konnten, denn „Sie küßten und sie schlugen ihn“ ist zweifelsohne harter Tobak und hat das ohnehin schon stark angespannte Familienverhältnis noch zusätzlich strapaziert. Ein Umstand, der schließlich zur bereits erwähnten, öffentlichen Leugnung der autobiographischen Ebene geführt hat – nachvollziehbar, jedoch wenig glaubhaft.

Aus den ruhigen, gar bedächtig-schön anmutenden Bildern bahnen sich zu jedem Zeitpunkt Truffauts Jugendjahre ihren Weg. Die stark gestörte Beziehung zur Mutter ist genauso wie das familiärere Verhältnis zum (Stief-!)Vater charakteristisch. Seine Zeit in der Jugenderziehungsanstalt, der Diebstahl der Schreibmaschine aus dem Büro des Vaters, die Streitigkeiten der Eltern untereinander und die damit verbundene Flucht von Hause. Das ist Truffaut. Film verschmilzt mit Leben, Leben verschmilzt mit Film. Beide Aspekte zehren voneinander und bereichern die jeweils komplementäre Sphäre. Dabei changiert „Sie küßten und sie schlugen ihn“, wie der zwar nicht wirklich werksgetreue deutsche Filmtitel andeutet, subtil zwischen Gefühlswelten. Diese bindet der Regisseur geschickt an Räumlichkeiten und Personen. Zeitlich begrenzte, glückliche Momente sind dem jungen Doinel vorrangig in Gegenwart seines Freundes René vorbehalten, mit dem er sich auf Jahrmärkten und in Spielhöllen austobt. Im Gegenzug dazu werfen die heimischen vier Wände genauso wie die Schule finstere Schatten voraus, welche selbst dann, als endlich Besserung im Hause Doinel einzukehren scheint, nicht weichen wollen.

Die finstersten Schatten wären in ihrer allumfassenden Intensität jedoch nichtig, gäbe es nicht ein talentiertes Gesicht, das sie zu reflektieren vermag - ein solches hat Truffaut im damals noch jungen Jean-Pierre Léaud gefunden. Facettenreich und mit dem richtigen Gespür für die Rolle verkörpert er den kleinen Rebellen Doinel. Dabei muss es sich der Rest des Casts gefallen lassen, von ihm an die Wand gespielt zu werden. Allein das poetisch-abrupte Ende am Meeresstrand, Doinels eingefrorener Gesichtsausdruck, welcher in seiner Komplexität kaum fassbar anmutet, zerstreut jedweden Zweifel bezüglich seiner Fähigkeiten. Er wirkt beinahe selbst überrascht, dass der Film an dieser Stelle sein Ende findet. Erstaunen darüber, dass er es bis hier hin – bis zu seinem selbst gesteckten Ziel: dem Meer – geschafft hat, spiegelt sich in seinem Gesichtsausdruck. Gleichermaßen aber auch Angst. Das Meer und die damit assoziierte Freiheit hat er erreicht, aber was kommt danach? Eine Frage, die der Regisseur an dieser Stelle nicht beantworten will oder vielleicht auch noch gar nicht kann.

Alles in allem gelang Francois Truffaut mit „Sie küßten und sie schlugen ihn“ ein außergewöhnliches Spielfilmdebüt. Eine einfühlsame Reminiszenz an die Jugend, die ohne jegliches Selbstmitleid funktioniert. Nicht klischeehaft, sondern menschlich und nachdenklich. Nicht überdramatisiert, sondern melancholisch und bedrückend real. Dergleichen nähert er sich jugendlichen Ängsten, Hoffnungen und Wünschen, die nicht ungehört bleiben wollen. (9/10 Punkten)

Mittwoch, 23. April 2008

Die Dame im See (1947)


… oder wie die Form dem Inhalt das Wasser abgräbt!

Die Filmgeschichte hat bewiesen, dass bei Adaptionen – seien die Vorlagen Bücher, Computerspiele o. ä. – oftmals besonders essentielle Aspekte nicht oder nur ungenügend übernommen werden können. Im Fall von Robert Montgomerys „Die Dame im See“ (1947), basierend auf Raymond Chandlers gleichnamigen Kriminalroman, ist man das Projekt hingegen besonders wohlwollend angegangen und hat die Ich – Perspektive der Vorlage in einem filmisch interessanten Experiment gleich mitadaptiert. Das Resultat: Ein Werk mit Seltenheitswert, das seine Geschichte zur Gänze aus der visuellen Ich – Perspektive des handelnden Akteurs erzählt.

Der Privatdetektiv Philip Marlowe erhält den Auftrag nach der leichtlebigen Gattin des Pulpmagazin-Herausgebers Derace Kingsby zu suchen. Diese soll sich nach Mexiko abgesetzt haben und scheint unauffindbar. Für Marlowe zunächst kein besonderer Fall, gäbe es nicht auffällige Querverbindungen zu zwei Morden, die aus der gesuchten Chrystal Kingsby eine potentielle Verdächtige machen.

Die Kinolandschaft hält einige technische Spielereien bereit, die sich über die Jahre – sei es aus ökonomischen oder narrativen Aspekten - nie wirklich durchsetzen konnten. Dazu zählt u. a. das 3D-Verfahren („Jaws 3-D“ (1983), „Und wieder ist Freitag, der 13.“ (1982)), aber auch das Erzählen einer Geschichte, welche man als Zuschauer komplett durch die Augen des Protagonisten miterlebt. „Die Dame im See“ wagt diesbezüglich einen interessanten Versuch, der innerhalb Hollywoods Schwarzer Serie zweifelsohne ein kleines Unikum ist. Der Zuschauer soll leichteren Zugang zur Geschichte erhalten, stärker vom Medium Film absorbiert werden. Derlei Effekt versucht man durch eine Annäherung an die menschlichen Sehgewohnheiten anzustreben, eine Zuspitzung des praktizierten „unsichtbaren Schnitts“, wenn man so will. Das Endergebnis darf jedoch ohne große Umschweife als klassisches Eigentor gewertet werden. Anstatt Nähe bildet sich kühle Distanz, die der technische Fremdkörper des durchgängigen POVs hervorruft. Er beansprucht die Aufmerksamkeit vom Publikum zur Gänze und führt dem Zuschauer, dessen filmische Sehgewohnheiten bis dato anderen Maximen unterlegen waren, in jedem Moment die Künstlichkeit der Inszenierung vor Augen. Die Technik steht hier ihrer Intention eindeutig selbst im Weg.

Ein Nebeneffekt der gewählten Erzählform ist die stärkere Fokussierung der Mise-en-scène. Bedingt durch die angestrebte Kontinuität der Erzählung funktioniert „Die Dame im See“ primär über die Kameraarbeit, nicht über den Schnitt. Strukturelle Auswirkungen sind vornehmlich lange Einstellungen, die dem Film durch die bedauerlicherweise oftmals statisch ausgefallene Mise-en-scène ein hohes Maß an Vitalität rauben. Mitschuld daran trägt die „Dialoglastigkeit“, welche leider kaum Spielraum für visuelle Ausschmückungen lässt. Oftmals steht die Kamera (respektive der Protagonist Marlowe) minutenlang vor einem Gesprächspartner, der wie ein Fisch in die Kamera glotzt, sich ab und zu ein bisschen nach links oder ein bisschen nach rechts bewegt. Mehr aber auch nicht. Konventionell erzählte Filme arbeiten in derlei Fällen beispielsweise mit Schuss/Gegenschuss-Aufnahmen, um potentiell starr wirkende Sequenzen bzw. Szenen aufzulockern. „Die Dame im See“ hingegen verzichtet auf solche Methoden mit beharrlicher Konsequenz.

Wo eine stärker elliptisch durchstrukturierte Narration, die nicht unwesentlich dazu beiträgt, das Interesse des Zuschauers aufrecht zu halten, dem Film sicherlich besser zu Gesicht gestanden hätte, begnügt sich Montgomery damit, seinem technischen Gimmick zu frönen. Doch vertrödelte Zeit muss natürlich an anderer Stelle wieder kompensiert werden. So gibt sich „Die Dame im See“ im Gegensatz zu anderen, wesentlich gekonnter ausbalancierten Chandler-Verfilmungen (Howard Hawks „The Big Sleep“ (1946) oder Edward Dmytryks „Murder, My Sweet“ (1944)) an vielen Stellen nicht so werksgetreu, wie man es sich als Liebhaber von Chandlers Romanen gewünscht hätte. Bestes Beispiel ist die Titel gebende tote Dame im See, deren Funktion innerhalb des Romans essentiell ist. Die Verfilmung hingegen spart die Ereignisse am Little Fawn Lake, Chrystal Kingsbys letzter Aufenthaltsort und kurz darauf Fundort von Mildred Havelands Wasserleiche, bis auf eine Erwähnung während eines Dialogs aus. Des Weiteren macht die Verfilmung Marlowe zu einem Hobbyautoren für Krimigeschichten, der durch „Zufall“ bei einem Verlag (wir erinnern uns Chrystal Kingsbys Mann ist ein Herausgeber für Pulp-Romane) an seine künftigen Auftraggeber gerät. Warum man nicht die klassische Einleitung des Romans beibehalten hat, in der Kingsby keine Schundheftchen verkauft und Marlowe nicht seine Profession gewechselt hat, bleibt rätselhaft. Sicher hingegen ist nur eins: die Verschiebung des Fokus’ schlägt sich schwer auf die Dramaturgie nieder.

Es gibt nachvollziehbare Gründe, warum Filme dieser Gattung solch eine Rarität geblieben sind. Neben obigen Aspekten ist es sicherlich vor allem die fehlende Identifikationsfigur, die in einem POV-Film weitestgehend unter den Tisch fällt. Abgesehen von den drei eher störenden Zwischensequenzen, in denen sich Marlowe als Erzähler direkt ans Publikum wendet, sieht man ihn nur ein paar Mal durch Spiegelreflexionen und dem Zuschauer wird schmerzlich klar: das ist nicht Bogie, das ist nicht einmal Dick Powell. Spätestens dann ziehen irre weltverschwörerische Gedanken auf, die den gesamten POV-Zirkus einzig und allein der Tatsache zuschreiben, dass man Bogart nicht mit an Bord hat. Aber egal, ob nun Bogart, Powell oder Montgomery: dem Film würde nichtsdestotrotz die physische Präsenz seines Protagonisten fehlen. Drei oder vier kurze Blicke reichen nicht aus, um eine Verbindung zur Hauptfigur zu etablieren.

Der ebenfalls im Jahr 1947 produzierte „Die Schwarze Natter“, bei weitem keine Perle des Genres, nutzt dieselbe Technik wie „Die Dame im See“. Bezeichnenderweise ist es dort Humphrey Bogart, durch dessen Augen wir – zumindest eine Zeit lang – schauen. Dieser Film stellt sich wenigstens im Umgang mit der Technik raffinierter an. Es ist weniger reiner, ermüdender Schauwille, sondern vielmehr ein geschickter Kniff, um die Handlung zu akzentuieren. Wenn sich Ähnliches über „Die Dame im See“ sagen lassen würde, hätte sein besonderer Status sicherlich nicht diesen äußerst faden Nachgeschmack. So ist Montgomerys Film allenfalls aus filmhistorischer Sicht interessant. Für alle anderen bleibt nur der Verweis auf die weitaus gelungeneren Werke wie „The Big Sleep“ und „Murder, My Sweet“. (5/10 Punkten)

Samstag, 8. März 2008

Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street



Als die Rasiermesser das Schlitzen lernten


„There's a hole in the world like a great black pit, and it's filled with people who are filled of shit, and the vermin of the world inhabit it, and it goes by the name of 'London.“ (Benjamin Barker)

Der Vorspann beginnt. Ein Gefühl von Vertrautheit senkt sich wie Londons dichter Nebel über das Publikum. Ein angenehmes Gefühl – fremd, aber doch zugleich bekannt. Neu und aufregend, jedoch mit einem starken Anflug von heimischen Assoziationen. Verursacher dieser kribbelnden Emotionen: Regisseur Tim Burton, dessen jüngste Nachtmar „Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street“ (2008) ein weiteres, perfekt geschliffenes Puzzlestück im Burton’schen Kosmos ist. Eine Vielzahl seiner Werke verknüpft ein gemeinsames Konzept, ein gedanklich-thematischer Überbau, in welchen sich auch dieser Film wunderbar einfügt. Burton will anscheinend unter Beweis stellen, dass Weiterentwicklung und erkennbare Kontinuität keine konkurrierenden Konzepte sein müssen.

Die Liebe wird dem rechtschaffenen Barbier Benjamin Barker zum Verhängnis, denn Richter Turpin hat es auf dessen Frau abgesehen und schickt ihn kurzerhand mittels eines getürkten Gerichtsprozesses in die Verbannung. Nach 15 Jahren des Exils kehrt Barker nach London zurück - anonym, als Sweeney Todd. Doch seit damals hat sich einiges geändert. Die Ehefrau vermeintlich tot, seine Tochter mittlerweile in den Fängen des verhassten Richters. Todds einziger Wunsch: blutige Rache.

„Edward mit den Scherenhänden“ (1990) markierte den Anfang für das Traumgespann Tim Burton/ Johnny Depp. Mittlerweile ist der Mime mit dem Faible für exzentrische Rollen so etwas wie Stamminventar in Burtons Werken geworden, ob nun in Persona („Ed Wood“) oder als animierter Doppelgänger („Corpse Bride“). Auch für „Sweeney Todd“ hätte die Wahl nicht weiser getroffen werden können. In bester Tradition gibt Depp den von der Gesellschaft – stellvertretend dafür: der nicht ganz so ehrenwerte Richter Turpin - ausgestoßenen Protagonisten und greift (Charakter-) Elemente des eingangs erwähnten „Edward mit den Scherenhänden“ auf. Diese stellt er in einen neuen Kontext und entwickelt den „Urcharakter“ weiter, indem er sich unterschiedlicher Facetten bedient. Das besonders Erfrischende an „Sweeney Todd“ findet sich deshalb auch im Umgang mit seiner Hauptfigur begründet. Ihr gegenüber lässt der Film ein äußerst ambivalentes Verhältnis entstehen. Dies rührt daher, dass Todd über weite Strecken nicht zum tragischen Helden stilisiert wird. Stattdessen bekommt der Zuschauer einen bitter-bösen Antihelden aufgetischt, der sein flammendes Schwert – hier durch todbringende Rasiermesser ersetzt, die förmlich zum Aderlass einladen – nicht nur in Richtung der Übeltäter führt. Sein Wirbelwind aus Rachegelüsten ergießt sich über die gesamte Menschheit, wie einst das Blut aus den Aufzugtüren des Overlook Hotels.

Genauso wie Burton dem Bild jedwede scheinenden Farben entzieht, es auf dunkle, schattige Töne reduziert - nur um so das saftige Leuchten des Blutes zu akzentuieren – verfährt er mit den Emotionen der Welt - zumindest bis auf zwei: Liebe und Hass. Den Quintessenzen des Films. Emotionen, welche konträrer nicht sein könnten, halten die Welt des Sweeney Todd in Bewegung. Sie spiegeln sich sowohl in den Figuren von Johanna, Anthony Hope und Todd als auch in dem Gespann, welches er mit Mrs. Lovette bildet, wieder. Ihre Beziehung beruht auf einem makabren Verhältnis von „geben und nehmen“. Den überspitzten Höhepunkt bildet die praktizierte „Ressourcenverwertung“ von Todds Leichenbergen, die kurzerhand von Mrs. Lovette zu bekömmlichen Fleischpasteten weiterverarbeitet werden. Hier winkt „Sweeney Todd“ freilich ein wenig offensichtlich, aber keinesfalls aufdringlich mit dem Zaunpfahl in Richtung rabenschwarz-bissiger Gesellschaftskritik.

Neben skurillen Charakteren zeichnen sich Burtons Filme oftmals besonders durch ihre finstere, schwer definierbare Atmosphäre aus. Höhepunkt diesbezüglich ist sicherlich die kongeniale Gruselmär „Sleepy Hollow“, doch „Sweeney Todd“ steht ihm (beinahe) in nichts nach. Ein Konglomerat aus brillanter technischer Inszenierung –allem voran die wohl akzentuierte Lichtsetzung und Kameraarbeit -, dem viktorianischen Setting und nicht zuletzt Johnny Depp. Vielleicht bedarf seine Leistung aufgrund ihrer Konstanz schon keinerlei Kommentar mehr, doch dies wäre genauso wie der Ausgang der ’08er-Oscar-Auflage nur bedingt nachvollziehbar. Die Person Depp löst sich vor den Zuschaueraugen auf, wird konturlos und schemenhaft. Was übrig bleibt, ist ganz Sweeney, der eine glanzvolle, wunderbar durchnuancierte Ein-Mann-Show abliefert. Ruhige Passagen bündeln sich mit Energie geladenen Ausbrüchen zu einem homogenen Gesamtbild, welches noch durch die geschickt eingewobenen Musicalelemente unterstrichen wird. An diesem Punkt bleibt Kritik jedoch leider nicht aus. Die Musik ist gut, stellenweise sogar sehr gut- ohne Zweifel. Jedoch fehlt den einzelnen Stücken etwas Essentielles: Ohrwurmcharakter. Sie klammern sich nicht mit Widerhaken in den Gehörgängen fest, was nun mal Bedingung für ein hervorragendes Musical ist. Burtons „Sweeney Todd“ sei es verziehen, da er doch über diese Ebene hinaus noch einiges mehr zu bieten vermag.

One, two, Sweeney’s coming for you. Tim Burton mixt mit seinem neuesten Streich einen schmackhaften Cocktail. „Bloody Sweeney“ der Name. Die Ingredienzien: ein bestechender Hauptdarsteller, dichte Atmosphäre à la Burton, schwungvolle Melodien, rabenschwarzer Humor und rubinrotes Kunstblut in strömenden Bächen. Alles gut geschüttelt und eiskalt – wie Rache bekannterweise sein sollte - serviert. Das ist der Stoff aus dem (Alp-)Träume sind…(8,5/10 Punkten)

Montag, 25. Februar 2008

Geständnis einer Nonne


Nonnen sind schon ein garstiges Völkchen. Mörderinnen in kirchlichem Gewand. Berühmt und berüchtigt für ihre offen zelebrierte Frivolität, ihren unstillbaren Sexualtrieb, vor dem sich sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht in Acht nehmen sollten. Nur allzu gern lassen sie ihren sadistischen Trieben freien lauf, üben blutige Rache und hecken Finsteres aus. Auf wen diese zugesprochenen Attribute befremdlich wirken mögen, dem sei zu seiner Beruhigung versichert, dass wir nicht die Pforten zur Hölle auf leisen Sohlen durchschritten haben, sondern uns vielmehr in einem sehr beliebten italienischen Genre der 70er Jahre befinden. Nunsploitation heißt das Zauberwort, welches zu damaligen Zeiten sicherlich im Vatikan besonderen Anklang fand. Giulio Beruttis „Geständnis einer Nonne“ (1978) ist ein Vertreter jener Gattung, die sich oftmals nicht der offenen, selbstzweckhaften Provokation schämt.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Schwester Gertrude, welche ein strenges, jedoch zugleich gerechtes Regime in ihrem Krankenhaus führt. Was keiner der Patienten ahnt: Hinter ihrem gefassten äußeren Erscheinungsbild tobt ein innerer Krieg. Seit einer vermeintlich gut verlaufenen Gehirnoperation ist Gertrude morphiumabhängig und leidet unter immer öfter eintretenden Wahnvorstellungen, deren Folgen ihre Patienten schmerzlich zu spüren bekommen. Als sich im Krankenhaus seltsame Todesfälle häufen, scheint die Schuldige jedenfalls schnell gefunden…

Nunsploitation-Filme treffen sicherlich nicht jedermanns cineastischen Nerv, was nur allzu verständlich ist. „Geständnis einer Nonne“ macht es selbst dem unvoreingenommen Kinogänger nicht unbedingt einfach, Freundschaft mit dem Genre zu schließen. Berutti jubelt dem Zuschauer ein zahnloses Machwerk unter, das in keiner Disziplin so wirklich mit Esprit zu glänzen vermag. Beispielsweise spiegelt die Inszenierung zwar die unterkühlt-sterile Atmosphäre des Krankenhauses mit Bravour wider, nur leider vergisst Berutti die Notbremse zu ziehen, bevor dem Zuschauer die Füße am Boden festfrieren. Von Atmosphäre nicht der Hauch einer Spur.

Wenn es sich nur auf diesen Kritikpunkt belaufen würde, könnte sich der Streifen durchweg auf der glücklichen Seite schätzen. Objektiv gesehen verflüchtigt sich diese leise Hoffnung jedoch relativ schnell in Schall und Rauch und macht einem nüchternen Eindruck platz. Die Geschichte um Schwester Gertrude, die Stück für Stück in den Wahnsinn abzugleiten droht, wirkt wenig inspiriert und bietet nur Standardkost. Allein aufgrund der stümperhaft ausgesäten „Roten Heringe“ dürfte eigentlich niemand in Schwester Gertrude die Verursacherin der Todesfälle sehen. Ihr eingestreutes pseudo-lesbisches Geplänkel mit der Zimmergenossin Schwester Mathieu, die offensichtlich ihre sexuellen Wünsche auf Gertrude projiziert, bietet dann auch postwendend die- wohl eher ungewollte- Möglichkeit, bereits frühzeitig Rückschlüsse auf die wahre Identität des Mörders zu ziehen. Drehbuch sei Dank!

Will man sich einmal wirklich weit aus dem Fenster lehnen, könnte man sogar versuchen in „Geständnis einer Nonne“ einen kirchenkritischen Subtext zu verorten, der weit über bloße Provokation mit den gängigen Sex- und Gewaltinhalten hinausgeht. Eine Äußerung der Mutter Oberin („Es ist die Berufung einer Nonne, zu leiden.“) im Kontext des Films, welcher die Unterdrückung von Sexualität und Persönlichkeit in einer Klostergemeinde zeigt, ließe sich zweifelsohne dahingehend deuten. Ob Herr Berutti mit seinem drögen Genrefilm derart viel Hintergründigkeit im Sinn hatte, bleibt fraglich.

„Geständnis einer Nonne“ nutzt jene Schwemme an Nunsploitation-Werken der 70er Jahre aus, um dem Publikum ein äußerst fragwürdiges filmisches Vehikel unterzujubeln. Da kann auch Fellini-Muse Anita Ekberg als Gertrude mit ihrem lustlosen Spiel kaum großartig was retten. Selbst Freunden europäischer Filmkost der 60/70er Jahre dürfte es schwer fallen, dem Werk allzu viel Positives unter der Kutte hervorzulocken. Zu gewollt, aber nicht gekonnt präsentiert gibt sich Beruttis Streifen in seinem Bemühen, dem Publikum etwas Spannendes, Mysteriöses oder gar auch nur Provokantes vorzusetzen. (3/10 Punkten)

Sonntag, 17. Februar 2008

Jenifer & Pelts


Das war wohl ein Schlag ins kühle Nass: Dario Argentos "Masters of Horror"- Beiträge "Jenifer" & "Pelts" in einer ausführlichen Besprechung. Zur Rezension bitte hier entlang!

Sonntag, 3. Februar 2008

Malastrana

Aldo Lados herrlich- innovativer Giallo- Beitrag "Malastrana" ("Short Night of Glass Dolls") von mir in einer ausführlichen Rezension auseinander genommen. Zur Besprechung bitte hier entlang!

Mittwoch, 9. Januar 2008

Tödliche Versprechen


Aktuell besprochen: David Cronenbergs Thriller "Tödliche Versprechen"! Zur Review bitte hier entlang!

Freitag, 4. Januar 2008

Your Vice Is a Locked Room and Only I Have the Key


Wieder eine etwas ausführlichere Review von mir, diesmal zu Sergio Martinos äußerst ungewöhnlichem Giallo- Beitrag "Your Vice Is a Locked Room and Only I Have the Key" (1972)! Bitte hier entlang!

Freitag, 28. Dezember 2007

Aliens vs. Predator 2


Frisch im Kino gesehen und auch gleich rezensiert: "Aliens vs. Predator 2". Zur Review bitte hier entlang!

Sonntag, 16. Dezember 2007

Sleepless


Mein nächstes Review- Opfer aus dem Schaffenswerk des Dario Argento: "Sleepless" (2001)! Bitte hier entlang!

In diesem Zusammenhang- es sind ja nun schon eine handvoll - noch einmal die Links zu meinen vorherigen Argento- Reviews!

Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (Klick)
Suspiria (Klick)
The Card Player (Klick)
Terror in der Oper (Klick)
Tenebre (Klick)
Horror Infernal (Klick)

Mittwoch, 14. November 2007

Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe


So reviewtechnisch gibts an dieser Stelle endlich mal wieder was Frisches von mir: Dario Argentos souveränes Spielfilmdebüt "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" (1970) in einer ausführlichen Rezension. Bitte hier entlang!

Sonntag, 21. Oktober 2007

Der Malteser Falke


John Hustons grandioses Regiedebüt "Der Malteser Falke" (1941) nach einer Romanvorlage von Dashiell Hammett. Zur ausführlichen Besprechung bitte hier entlang!

Montag, 15. Oktober 2007

Suspiria


Zur ausführlichen Besprechung von Dario Argentos überwältigendem visuellen Leckerbissen "Suspiria" bitte dem Link folgen!

Sonntag, 14. Oktober 2007

Planet Terror


Das zweite "Grindhouse"-Segment "Planet Terror" in einer ausführlichen Besprechung: Bitte dem Link folgen!

Freitag, 5. Oktober 2007

Im Dunkel der Nacht


Maxwell Shanes Spät- Film Noir "Im Dunkel der Nacht" (1956) in einer ausführlichen Rezension. Bitte hier entlang!

Sonntag, 30. September 2007

Simpsons- Der Film



So, hier eine etwas verspätete Rezension zu "Simpsons- Der Film", welche ziemlich lange unvollendet auf meiner Festplatte geschmort hat! Klick!

Freitag, 21. September 2007

Disturbia- Review


Zur ausführlichen Rezension zu D.J. Carusos neustem Film "Disturbia" mit Transformers- Star Shia LaBeouf bitte hier entlang!

Freitag, 14. September 2007

Death Sentence- Review


Zur ausführlichen Filmbesprechung von James Wan neustem Streich "Death Sentence- Todesurteil" auf CineCaptain.de bitte hier entlang!