Ich glaube nicht an Reinkarnation, jedoch hätte mich Dario Argentos „Mother of Tears“ beinahe eines besseren belehrt. Lässt sich da nicht – besonders deutlich im Kontext der ausschweifenden und zuweilen unmotivierten Gewaltexzesse – deutlich die Handschrift des ’96 verstorbenen Genrefilmers Lucio Fulci erkennen, der geradezu unverschämt oft nach dem Credo „Tut’s nicht die Handlung, tut’s der Gorefaktor“ verfahren ist? Einstmals ein Sakrileg beide Namen in einem Atemzug dem Mund entweichen zu lassen, nach den filmischen Gurken der letzten Jahre vielleicht durchaus eine abzuwägende Überlegung? Wer weiß, doch zunächst einmal halblang, denn trotz der Kritikpunkte, die sich „Mother of Tears“ vorwerfen lassen muss, kann man Argento durchaus auch heute noch handwerkliche Souveränität attestieren – jedoch nicht zu verwechseln mit dem kreativen Quell früherer Werke. Alles andere bleibt leider hinter den hohen Erwartungen, die angesichts der Vorgänger „Suspiria“ und „Horror Infernal“ durchaus ihre Daseinsberechtigung haben, zurück. Zugegebenermaßen, „Mother of Tears“ ist nicht der amateurhafte Totalausfall, zu dem er gerne hochstilisiert wird. Nichtsdestotrotz liegen Welten, wenn nicht sogar ganze Galaxien zwischen dem Argento von damals und dem von heute. Hat sich Argento so stark weiterentwickelt und seine Anhänger vergessen mitzunehmen? Zumindest letzterer Aspekt dürfte nicht ganz aus der Luft gegriffen sein. Die Fans wollen das, womit sie Argento in den 70/80ern verwöhnt hat.
Eine gelungene, wenn auch nicht sonderlich originelle Exposition, verspricht zunächst dahingehend Positives. Dieser Eindruck zerstreut sich leider zum Mittelteil hin immer deutlicher. Das Drehbuch bekommt keinerlei Chance dramaturgische Akzente zu setzen, sodass die Flucht bzw. der Kampf gegen die Mutter der Tränen absolut beliebig daherkommt. Aus Filmen wie z.B. „Tenebre“, „Suspiria“ oder „Opera“ haben sich dutzende Szenen – wenn nicht sogar der komplette Film – aufgrund ihrer kreativen Einzigartigkeit und ihrer ungeheuren, rohen Energie ins Gedächtnis gebrannt. Von „Mother of Tears“ bleibt, nachdem der Abspann gelaufen ist, leider nicht sonderlich viel haften. Selbst die teilweise ziemlich heftigen Gore-Effekte, mit denen Argento schon in „Pelts“ nicht gegeizt hat, verfehlen ihre Wirkung. Sie unterstreichen nichts, sie sind lediglich eine plakative Selbstschau, was auf die Dauer einen eher ermüdenden und abstumpfenden Charakter erhält.
Und was bietet „Mother of Tears“ sonst noch? Zahlreiche Querverweise auf die Vorgänger, die in ihrer Tragweite nicht über bloßes namedropping hinausreichen. Ein in Rom stattfindendes pseudoapokalyptisches Weltuntergangsszenario, das zwar nett gemeint ist, aber in seinen Ausmaßen eher dem berühmten Sturm im Wasserglas gleicht. Zudem noch die wohl peinlichsten Hexen der Filmgeschichte, die eher Gruftivarianten von „Germany Next Topmodel“ zu entsprechen scheinen. (5,5/10 Punkten)